Rassias: Angst Angstlosigkeit

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Vlassis G. Rassias

Notizen über die Angst und die Angstlosigkeit

Sie fürchten die Natur 
sie fürchten die Vernunft 
sie fürchten die Erotik 
sie fürchten die Wahrheit 
sie fürchten die Freude 
sie fürchten die Götter 
sie fürchten den Menschen 
sie fürchten die Antike 
sie fürchten den Gedanken 
sie fürchten die Freiheit 
sie fürchten die Vielfalt 
sie fürchten die Suche 
sie fürchten ihr Ende 
und Angst säen sie deshalb 
in deren Untertanen Seele“  
 
Die menschliche Gewalt, der Hass, die Wut, die Aggressivität, die Vorurteile, basieren auf Angst und Unsicherheit. Letztere sind für den Menschen die größten Hindernisse für seine Freiheit, innere Ausgelassenheit, Unabhängigkeit und seine Glückseligkeit. 
 
Die Angst ihrerseits basiert auf Unwissenheit und den Selbstbetrug einer nicht existierenden egoistischen Individualität (z.B.  persönliche Seele ), die uns vortäuscht abgetrennt vom Weltall,  seinen Prozessen und seiner Substanz zu sein, abgetrennt und entfremdet vom Ganzen. 
 
Die Angst basiert auf einem willkürlichen Komplex von Eigenschaften der Persönlichkeit, die nichtnachdenkende Menschen als das „Ich“ annehmen. Ein veraltetes und seichtes „Ich“, völlig ohne jegliche vereinigende Beziehung, welches anstrebt die  natürliche Welt als ein unbegreifliches, beunruhigendes, undurchdringliches und bedrohliches Etwas zu erleben. Grundvoraussetzung für das Vorhandensein der Angst ist, dass man schon das Gefühl der Entfremdung und Abgetrenntheit/Besonderheit hat. 
 
Die Angst und die Unsicherheit sind Synonyme. Alle Menschen (und Systeme) werden letzten Endes angsterfüllt, sobald sie merken, dass sie unfähig sind ein zusammenhaltendes Bild von sich selbst zu  gestalten, viel mehr noch wenn dieses Bild nicht geschrumpft sein soll in einem nicht vorhandenen „Ich“. 
 
Wer sich unsicher fühlt, entfaltet sich zur einer individualisierten Persönlichkeit(2),  „mauert“ sich erschrocken  hinter sein  „Ich’’,  wird ein Egoist. Klassischer Fall einer solchen „ Mauer „ ist das Christentum, denn es orientiert den Gläubigen ausschließlich „seine„  Seele zu „retten“. 
 
Dieses gilt sowohl für einfache Personen als auch für Nationen, Religionen oder andere menschliche Vereinigungen. Der Egoismus der Religionen äußert sich in „dogmatischer Boshaftigkeit“, d.h.  Definition angeblicher Orthodoxien (rechter Glaube) und Verfolgung  angeblicher Andersgläubigkeiten. Das Christentum,  nicht nur von der Natur entfremdet, sondern auch ein erklärter Feind der Natur, spielt auch in diesem Prozess die führende Rolle. 
 
Die letzte und grundlegende Angst ist die Angst vor dem „Unbekannten „ (das oft als die Dunkelheit abgebildet wird, in der  der menschliche Verstand sich fast alles vorstellen kann: Gutes und Böses). Die Angst vor dem „Unbekannten“ ist im Grunde eine Angst vor allem was sich außerhalb des „Ich“ befindet oder aber außerhalb der erforschbaren Teile des „Ichs“. Die Angst vor dem Unbekannten ist die Vorstufe der Angst vor dem Fremden, vor dem Andersartigen.
 
Die Fremdenfeindlichkeit(= Fremdenangst) führt Menschen oder Gemeinschaften zur einer gefühlten „Bedrohung“ vor unbekannten Zuständen, oder unbekannten Menschen. Aus dieser gefühlten Bedrohung entspringen der Rassenhass, die religiöse Intoleranz und willkürliche Angriffe jeder Art. 
 
Der Angsterfüllte fürchtet das Natürliche schlechthin, d.h. die Auffassung der Welt als Bewegung, er fürchtet die Idee einer ewigen Verwandlung aller und verweigert diese anzunehmen, alles anklagend was ihm Angst macht als etwas angeblich „Unbekanntes“. In der Angst vor eben diesem „Unbekanntem“ ist hauptsächlich die große Angst des Verlustes des „Ichs“ beinhaltet, der Angst schlechthin, der Angst vor dem Tod. 
 
Die Angst überflutet die Menschen mit einem doppelten widersprüchlichen Gefühl und stößt sie zur einer Art Schizophrenie, wo die völlige Entfernung von der Logik und das Wirkliche einhergeht mit einer Absorbierung durch das Fantasieren und die Illusion. Die Angst schafft die Logik ab und verdreht die Wahrnehmung, kann also nur bekämpft werden durch Wissen und  Vertrautheit mit der Natur oder  mit dem Rationalismus kurz gesagt durch Respekt gegenüber der Natur oder dem philosophischen Gedanken. 
 
Jedes egoistische Individuum bzw. jede egoistische Gemeinschaft ist verurteilt ungeheuerliche Mengen an Energie, Gedanken, Zeit und materieller Ressourcen zu verschwenden  um eine Illusion äußerer Sicherheit sicherzustellen. 
 
Jede Entfaltung zur einer individualisierten Persönlichkeit (2) ist zwangsläufig voller Illusionen. Die Angst vor dem Verlust des „Ichs“ (einer ohnehin weiteren Illusion) verursacht eine Anziehungskraft auf weitere Illusionen aller Art. 
 
Jede Entkleidung der Menschen von der gemeinschaftlichen Unterstützung ihrer Identität, jedes Entfernen von der vergötterten und in ihrer Dimension politischen Gemeinschaftlichkeit, welche die vorchristianisierte Menschheit festgelegt hat, führt diese Menschen zur einer Entziehung jeder Substanz und Unterbaus ihrer Existenz. Die Leere verwandelt sich in Angst vor und weiter noch in Hass gegen das Fremde (die zwei letzten Formen sind was wir als Fremdenangst  erwähnt haben). Die angsterfüllten Menschen (aber auch Gemeinschaften) verabscheuen die Wahrheit, die objektive Wirklichkeit, den unmittelbaren Kontakt  mit der inneren und äußeren Natur, Alles in Allem hassen  sie alles Fremde und Unterschiedliche zu ihrer inneren Leere, die sie verfolgt. 
 
Wer fürchtet, endet zwangsläufig als Angstexporteur. 
 
Die Herrschenden benutzen Religionen, die Angst propagieren, wie auch Bewusstseins - Massen-Umformungs-Medien, die darauf zielen die Vermehrung des Misstrauens, des Gefühls der Schwäche und der Angst der Untertanen  zu vermehren. 
 
Die Angst ist eine unerschöpfliche Quelle, wovon jedes System der Beherrschung und Ausbeutung des Lebens Energie schöpft. Die tückischsten Formen der Angst sind jene, die diese gleichmäßig verteilen, so dass die Angst als ein sozusagen „natürlicher„ Zustand der Menschen wahrgenommen wird. 
 
Die Vermittlung der Verteilungsmechanismen der Angst  unterscheidet nun mehr die angsterfüllten Menschen  in  „von selbst „ angsterfüllt und „durch Programmierung“. 
 
Das Fließen der Angst erscheint (ohne, dass dem so ist) endlos. Gleichzeitig jedoch ist es auch (nachweislich) besonders zerbrechlich. Die meisten durch Programmierung angsterfüllten Menschen erschrecken hauptsächlich durch die einfache  Wahrscheinlichkeit, dass es eine Leere der Angst geben kann, wie auch durch das Bewusstwerden der tragischen Zerbrechlichkeit dessen, was sie als ihren „natürlichen“ Zustand zu  betrachten  programmiert wurden. 
 
Die durch Programmierung angsterfüllten Menschen zittern vor einer obligatorischen Selbstverantwortung/Selbstbestimmung oder vor der Wahrscheinlichkeit des Endes ihrer Lethargie. 
 
Wer sich fürchtet wird zwangsläufig zum Fanatiker. 
 
Ein Teil des Fanatismus rührt von der Angst des Fanatikers, dass er sich möglicherweise irrt. Der Fanatiker ist dazu verurteilt eine (in der Regel nicht existierende) Identität  krampfhaft zu verteidigen und diese fast fetischistisch anzubeten. 
 
Der Fanatiker versucht sich selbst zu überzeugen, dass das, woran  er glaubt, das Richtige ist mit der Illusion, dass, je mehr Menschen an dasselbe glauben, umso richtiger und gerechter  wird dieses. Der Fanatiker wird von einem missionarischen Geist verfolgt, von einem Geist für Bekehrung. 
 
Der angsterfüllte Mensch bzw. die angsterfüllte Gemeinschaft haben fast nie den Mut etwas völlig Neues oder Unbekanntes auszuprobieren, sondern im Gegenteil, sie haften  trotzig an ausschließlich  bekannten Gewohnheiten und Vertrautheiten. Ihr Leben vermisst das Element der Entwicklung, ist langweilig, zyklisch, untätig, geschmacklos und fade, darum auch die schon erwähnte Hinwendung zur Illusion und der Ausbruch in Träumereien/Phantasien. 
 
Dieses angsterfüllte Haften an Bekanntem darf nicht verwechselt werden mit dem natürlichen Respekt vor der Tradition, d.h. das Wertesystem und Ethos (Sitten und Bräuche), die jemand befolgt, als ein organisches Teil eines lebenden Ethnos (Ethnos  =Nation, darf nicht mit dem Begriff Nation wie dieser- nachdem das Christentum die Ethnien  gewaltsam zerstört hatte- mit der französischen Revolution neu aufkam 1). Die Ethnien (Nationen) gehören kulturell zum Paganismus, d.h. jenem Teil der menschlichen Kultur, die gesteuert werden durch ganzheitliche Sicht der Dinge, Furchtlosigkeit, Gefälligkeit und Offenheit. 
 
Die Menge der Ethnien, die Ethnosphäre, verkörpert die Vielschichtigkeit und der Paganismus heiligt und sichert diese ab. Die Vielschichtigkeit und nur die, dient der Kommunikation und der Toleranz. 
 
Lieben kann in Wirklichkeit nur jemand, der andere toleriert und gleichzeitig gegen alle kämpft die andere nicht tolerieren. 
 
Tatsächlich äußert sich Toleranz passiv (d.h. andere tolerieren) und aktiv (kämpfen gegen die intoleranten). 
 
Trotz seiner pompösen Predigten ist das Christentum, sowohl als Gemeinschaft wie auch als Individuen, die ihn ausmachen, wegen seiner Angsterfülltheit und Unsicherheit, völlig unfähig andere zu tolerieren und (anderen was 1) anzubieten, sondern versucht überall seine Kopien zu erschaffen und Güter und menschliche Seelen an sich zu reißen. Die Gefälligkeit ist als Begriff angsterfüllten Menschen völlig unbekannt. Die wirkliche Gefälligkeit ist fürs Christentum völlig unverständlich. 
 
Es ist unmöglich, dass jemand offen ist oder Ausgeglichenheit, Freundlichkeit, innere Ruhe und Freude fühlen kann, wenn er sich ständig alle möglichen Gefahren von seiner Umwelt von andersartigen, andersreligiösen Menschen  und von einem angeblichen „Satan“ vorstellt. 
 
Toleranz setzt gutes Wissen der kosmischen und menschlichen Sachen voraus und Vertrauen in das Sein. Nur die starke Orientierung an  das ganze Wesen (ganzes Wesen = der lebendige, alles beinhaltende, bewusste, ewige Organismus, dessen unendlich kleine Teile wir alle und alles was es gibt sind 1) und die Anerkennung der Heiligkeit der Natur (sei es über die griechische Philosophie und Humanismus, oder über eine gesunde polytheistische Religiosität) kann die Grenzen der Toleranz gegenüber andersartigen oder gegenüber des Lebens als solches verstärken . 
 
Vlasis G. Rassias 
 
1 vom Übersetzer zum besseren Verständnis zugefügt 
2 individualisierte Persönlichkeit =  die Person. Der Terminus Person war in seiner heutigen Form den Menschen unbekannt. Die Menschen sahen sich immer als Teil ihrer Familie, Polis oder anderer Gemeinschaftsformen an.  Die „Person“ fand Einzug im europäischen Kulturraum (und darüber hinaus)mit dem Durchsetzen des Christentums und des „persönlichen“ Gottes der Juden/Christen.(vom Übersetzer zugefügt) 
 
das turmbuch
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